Montag, 29. Juni 2009

HAND 38

Es gibt eine Möglichkeit Bad Beats zu vermeiden. Und dies liegt in der Art und Weise wie man Wahrscheinlichkeiten versteht.

Die Sache ist nicht einfach, sonst gäbe es nicht so viele Darwin-Kritiker.

Um es konkret zu machen, ein Beispiel. Ich würfle, sagen wir 100 mal hintereinander und schreibe mir die Zahlenfolge der gewürfelten Würfelaugen auf. Nachher rechne ich mir aus wie wahrscheinlich es war, dass ich diese Zahlenreihe würfle.

Und dann bleibt uns nur folgende Analyse zum Ergebnis:
- The game is rigged (lesen wir ja oft genug im Chat)
- Da gibt es einen Masterplan (Gottesbeweis)
- Ein fast unglaubliches Glück (wir sind die Auserwählten)

Rechnerisch haben wir ja keinen Fehler gemacht und was hilft uns diese Geschichte. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass Wahrscheinlichkeitsrechnungen nur Sinn machen, wenn wir im vorhinein berechnen. Wie wahrscheinlich eine konkret eingetroffene Situation ist, hilft uns nichts.

Wenn wir also am Schluss sehen, dass unser Gegner die inside straight draw am River kompletiert hat, macht es nicht Sinn über diese Unwahrscheinlichkeit nachzudenken. Flush und Strassen sind wohl die ungemütlichsten Begegnungen beim Showdown. Um sich nicht im nachhinein ärgern zu müssen, wollen wir die Wahrscheinlichkeit im vorhinein berechnen.

Graph 1 zeigt mal prinzipiell, wie Wahrscheinlich ein Gegner eine bestimmte Handkombination hat und wie Wahrscheinlich damit ein Draw ist.


Graph 1:

Dies bedeutet dass, wenn wir dem Gegner einen Handrange von 20% zutrauen, er also KQo und KQs spielt, dann hat er zu 6% diese Hand. Wenn wir glauben, dass er Q9s spielt aber Q9o nicht, hat er Q9 zu 1%. Bei zwei gleichen Farben im Flop hat er einen Flush draw zu 8 bis 10%.

Als Faustregel können wir uns merken:


Dh. Wenn wir glauben, dass der Gegner tight spielt und die suited Kartenkombination in seinem Handrange ist, ist die Wahrscheinlichkeit 1,5% dass er diese wirklich hat. Wenn auch unsuited in seinem Range ist hat er diese Kombination zu 5,5%.



Je nach Flop gibt es aber meistens mehrer Hände, die einen Draw ergeben. Eine einfache Rechnung ist, man zählt die Gaps im Flop und summiert:
0 Gap: 3 Kombinationen
1 Gap: 2 Kombinationen
2 Gap: 1 Kombination.

Dh. Wenn im Flop z.B. J86 liegt, wie in Hand 38, gibt es 3 Kombinationen (2 Gap+1 Gap) für ein Straight draw. Je nach Handrange ist die Wahrscheinlichkeit bei einem Gegner bei 5 bis 12%, da wir zwei Spades im Flop liegen haben müssen wir die Wahrscheinlichkeit für einen Flush draw hinzuzählen: 8-10%. D.h. ein Flush- oder Straightdraw haben wir hier zu15-20%, je nachdem. Da der BB gute odds hatte können wir hier wohl eher mit 20% rechnen. Wenn wir davon ausgehen, dass die Strasse oder Flush zu 35% kompletiert wird, ist die absolute Wahrscheinlichkeit bei 7%. Angenommen es sind 3 Gegner, dann hat zu 50% mindestens einer einen Straight- bzw. Flush draw und zu 18% erreicht mindestens einer eine Straße oder einen Flush. Also Slowplay ist hier definitiv fehl am Platz.


Interssant ist die ganze Geschichte bei uns aber am River.

Freitag, 26. Juni 2009

HAND 9

Continuation Bets kennen wir wohl alle: oft gemacht, manchmal erfolgreicher als andere Male. Genauso oft waren wir auf der anderen Seite: wir waren uns ziemlich sicher, dass wir mit einem CB konfrontiert sind, hatten aber selbst nichts entgegenzusetzen.

Die Frage die sich uns natürlich immer wieder stellt ist, wie wahrscheinlich ist es dass er bei einem Bet im Flop, diesen auch getroffen hat und macht ein Reraise Bluff oder ein Float Sinn.

Kochrezept zur Berechnung:
Dazu nehme man die Textur des Flopes, den Aggressionsfaktor des Gegenspielers und Kombiniere das mit Bayes.

Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Flop getroffen wurde sagt uns vor allem die Textur des Flops in Kombination mit dem Vermuteten Handrange (Preflop-Spiel). Dies habe ich bereits in Hand 5 beschrieben.

Die zweite Zutat ist der Flop – Aggressionsfaktor (AF). Dieses kann man z.B. mittels Pokertracker, wie ich es mache oder anderen Programmen ablesen. Der Flop-AF ist definiert durch:

AF = (Anzahl der Bets und Raises) / (Anzahl der Calls)

Durch diesen Wert kann man ablesen, wie oft dieser Gegener im Flop aggressiv ist, ohne etwas zu haben. Wir können davon ausgehen, dass im Schnitt der Flop zu 35% getroffen wird.
Wenn wir davon ausgehen, dass er im Falle eines Treffers immer aggressiv ist und die Restlichen Bluffs können wir aufgrund des AF die Bluff-Rate ausrechnen. Zusätzlich ist von Vorteil dass sich diese Rate nicht sehr ändert, ob wir nun mit einer Durchschnittlichen Trefferquote von 30%, 35% oder 40% rechnen.


Graph 1: Der Agressionfaktor (AF) im Flop, abhängig von der Bluff-Rate

So nun nehmen wir z.B. an im Flop liegt AK3; wir haben QT. Aufgrund des Preflopspiels nehmen wir an, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Gegner ein A oder ein K in der Hand hat bei 55% und sein AF ist 3, dh. Seine Bluff-Rate ist 60%.


Graph 2: Wahrscheinlichkeit dass ein Gegner den Flop bei AK3 getroffen hat, abhängig vom gespielten Handrange.

Zusammengefasst:
Wahrscheinlichkeit Flop getroffen: 50%
Bluff-Rate im Flop aufgrund AF: 60%

Dies müssen wir nun Kombinieren, und das machen wir nach dem Rezept eines Mönches aus dem Mittelalter: Bayes. Wen dies mehr interessiert, der kann auf Wikipedia nachschlagen.
Jedenfalls, wenn wir das jetzt kombinieren, dann bekommen wir raus, dass es zu 70% ein Bluff ist. Und dies lässt bei 4 Outs durchaus mal über einen Reraise oder Float nachdenken.

Graph3 zeigt 2 Szenarien: der Flop wurde zu 20% getroffen (weniger als Durchschnitt) und 50% (über Durchschnitt). Aufgrund des Aggressionsfaktors kann man nachsehen wie hoch die Wahrscheinlichkeit für einen Bluff ist.




Im Falle von Phil Ivey von Hand 9 kann man den ganzen Handrange durchzählen und wir kommen über eine weiten Bereich auf einen Floptrefferwahrscheinlichkeit von ca. 28%, wenn der Flop Q42 ist.




Damit können wir jetzt aufgrund vom AF den wir Phil Ivey geben, den die Wahrscheinlichkeit für den Bluff ablesen:



D.h. Wenn wir Phil im Allgemeinen eine Bluffrate im Flop von 40% geben, ist die Wahrscheinlichkeit für einen Bluff in dieser Situation 50%.

Zusammenfassung:

Es ist gefährlich, nur aufgrund der Textur des Flops oder nur aufgrund der Aggressivität sich für einen Reraise Bluff oder Float zu entscheiden. Wir sollten es verstehen diese zwei Kennzahlen abzuschätzen und diese in der richtigen Art und Weise zu kombinieren.

Donnerstag, 18. Juni 2009

HAND 19

Das kennen wir alle, wir haben ein A mit einem schönen Kicker, vielleicht sogar ein K. Wir limpen oder raisen sogar und haben plötzlich 4 bis 5 Mitspieler im Pot.

Wenn wir nun durchrechnen, wie Warscheinlich es ist, dass ein A im Flop auftraucht, können wir normalerweise mit 3 Outs rechnen: W=3/50+3/49+3/48 = 18%

Da aber nun As viel häufiger gespielt wird als andere Karten, müssen wir damit rechnen, dass unsere Gegner mit einer überproportionalen Wahrscheinlichkeit ein As haben und darum weniger Assen im Kartendeck liegen. Da bedeutet wiederum, dass wir weniger Outs haben.

Ich habe für uns nun die Mühe gemacht die As und einige andere für verschiedene Handranges durchzuzählen die Outs zu kalkulieren. Ich habe die Outs durchgezählt unter der Annahme dass wir kein As in der Hand haben. Wenn wir ein A in der Hand haben, reduziert sich die Outs um 1.

Aufgetragen sind hierbei die Handranges von 10%-70% gegen die Anzahl der Gegner 1-5.
Wenn wir z.B unseren Gegnern einen Handrange von 20% geben, und 5 mitspielen, können wir nur mehr mit 1 out kalkulieren, wenn wir selbst ein A in der Hand haben; bei 4 Mitspielern wären es dementsprechend immer noch nur 1,5 outs.



für Könige:


für Zehner:


für 5er:



Anhand dieser Graphen sehen wir dass diese Art von Kalkulation nur bei A und höchstens noch mit K sinnvoll ist.

Zu beachten ist diese Berechnung auch im Flop wenn wir eine open ended straight draw haben, mit A als outs. Dabei reduzieren sich die odds von 16% auf 10 bis 12%.

So damit es nicht all zu kompliziert ist, ein leichter, einprägender Graph zum Schluss. Angenommen wir sitzen an einem 9er Tisch. Der Handrange den wir diesem Tisch geben liegt bei ca. 20%. (Liegt der Handrange höher ist der Effekt immer mehr vernachlässigbar). Wie viele Outs haben wir in Abhängigkeit der Karte und der Gegner die callen oder folden:



Wir haben gelernt, wenn wir ein A in der Hand haben können wir mit 3 outs rechnen.
Jetzt sehen wir, wenn wir an einem 9er Tisch 5 caller oder raiser preflop haben, können wir beim A nur mehr mit 2 outs rechnen, wenn nur einer mitspielt, können wir mit 3,6 outs rechnen. Auf den ersten Blick ist 3,6 outs unmöglich.

Diese 3,6 kommen daher, dass bei den gefoldeten Händen ein A unterproportional vorhanden ist. D.h. bei 14 (7 Spieler x 2) Karten von den restlichen 50 wissen wir, dass das A weniger oft vorkommt als es im Durchschnitt sein sollte, darum ist es dann in den restlichen überpropotional oft vorhanden.

Praktisch:
Normalerweise treffen wir im Flop mindestens eine unserer Karten zu 37%.
Wenn nun aber 5 Spieler preflop callen oder raisen, treffen wir unsere Karten bei:
AK: zu 27%
56: zu 43%

Und dies hat einen entscheidenden Einfluss auf unseren EV!

Um es plastischer zu formulieren: Wenn wir an einem Tisch vor uns 4 all in haben mit jeweils AKo, dann ist unsere Gewinnwahrscheinlichkeit mit 72o als Starthand bei 53%.

Montag, 8. Juni 2009

HAND 5

Preflop ist noch alles einfach. Wir haben relativ wenige mögliche Kombinationen. Die vielen verfügbaren Tabellen und Rangfolgen der Starthände nivellieren das Wissen am Tisch. Kleinere Fehler preflop wirken sich auf den Stack im allgemeinen nur marginär aus.

Beim Flop sieht es schon anderst aus. Die Einsätze sind höher die möglichen Kombinationen im Flop sind bedeutend höher und zusätzlich ist eine Einschätzung der gegnerischen Hand nötig. Zu guter letzt sind die allgemeinen Infos über Ranglisten nicht zugänglich, nur allgemeine Infos wie ein gefährlicher Flop aussieht und wie ein ungefährlicher Flop aussieht.

Wie gut ist unser Gefühl im Flop? Sagen wir es liegt KJJ im Flop, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass 2 Gegner mit einem Handrange 10% bzw. 30% den Flop getroffen hat, so dass beide einen ½ pot bet called?

Hier eine Tabelle der Kombinationen, wobei wir annehmen, dass ein Open Straight Draw durchaus auch noch mitspielen will.



Also, wenn wir 76% bei 10% Handrange und 66% bei 30% Handrange geschätzt haben, liegen wir sicher nicht ganz falsch. Vollständigkeitshalber die Erwartungswerte für einen Bluff.




Das Diagramm zeigt, dass ein Bluff leicht positiv, bis leicht negativ ist.



Noch interessanter für uns ist mit Sicherheit, wie groß die Wahrscheinlichkeit prinzipiell ist, dass ein Gegner eine bestimmte Karte im Flop getroffen hat. Anbei der Graph dazu.



Dieser Graph sagt z.B. aus, dass, wenn im Flop genau ein K liegt, und wir keinen K haben, ist die Wahrscheinlichkeit dass Heads up der Gegner einen K hat bei einem
Handrange 10%: 26%
Handrange 20%: 23%
Handrange 30%: 21%
Handrange 40%: 20%

Lassen wir uns nicht verunsichern, durch diese vielen Linien. Dieser Graph ist genauso wichtig wie die Tabellen zu den spielbaren Händen. Zu beachten ist allerdings dass wir diverse Flush draws und Straight draws hier noch außer acht gelassen haben.

Detailierte Analyse spare ich mir hier, hinweisen möchte ich trotzdem auf die, zumindest für mich, schnelle Nivellierung beim Handrange und der geringe Unterschied zwischen J und K.
Ach ja und hinweisen möchte ich auch auf die Einschätzbarkeit von Tighten und Lossen Spielern.


Schlussfolgerungen.

In Anbetracht, dass Preflop gelimpt wurde und im Flop alle gecheckt hatten, hat ein Bluff mit ½ Pot in einen KJJ-Flop einen leicht positiven EV.

Mittwoch, 3. Juni 2009

HAND 4

In Hand 4 limpt Gus Hansen mit 97s.

Die Frage die wir uns hier stellen möchten ist, inwieweit es rechnerisch Sinn macht mit 97s zu spielen und welche one-gap-suited Hände überhaupt spielbar sind.

Der der folgende Graphen beantwortet wohl schon die letzte Frage: Ob 53s oder J9s ist sehr ähnlich und können als gleichwertig betrachtet werden.

Und es wird noch einfacher. Eine weitere Analyse zeigt, dass die Gewinnaussichten ähnlich sind ob die Gegner nun eine Handrange von 10% (tight) oder 30% (eher loose) spielen.


Graph 1: Handrange 10% der Gegner


Graph 2: Handrange 30% der Gegner


Daraus folgt für one gap suited connectors, dass unabhängig, welche Karten wir genau haben und unabhängig welchen Handrange die Gegner spielen (zwischen 10% und 40%), sind unsere Gewinnaussichten immer ähnlich:

1 Gegner: 30%
2 Gegner: 25%
3 Gegner: 20%
5 Gegner: 15%




Wir können darum schlussfolgern, ob wir mit solchen Karten callen sollen oder nicht hängt ausschließlich davon ab, ob wir ein raise erwarten (z.B. bei einem aggressiver Tisch in early Position) und wie viele Limper es gibt. Je mehr Limper desto besser. Da unser EV auch bei 5 Gegner noch negativ ist, müssen wir postflop aggressiv ernten wenn wir getroffen haben, um langfristig positiv zu sein; Stichwort implied odds.


Graph 4: Erwartungswert für one gap suited, abhängig von der Anzahl der Gegner

Schlussfolgerung

- Ob callen oder nicht hängt nicht hängt vor allem von der Anzahl der Limper ab.
- Fausregel für Gewinnwahrscheinichkeit für 1-gap-s:
o 1 Gegner:30%
o 2 Gegner: 25%
o 3 Gegner: 20%
o 5 Gegner: 15%
- Je mehr Limper desto besseren EV haben wir
- Gespielter Handrange der Gegner ist nicht so wichtig.